Chronik Nr.136 vom 17.08.2005 Ort der Handlung: Calanam'coupaer, In der Schleife Zeit der Handlung: 23.12.2375 Bordzeit: 15.20 Uhr bis 15.40 Uhr >>> ------------------ <<< --- Speisesaal Der Speiseraum... Cian sah sich um... Die Liege stand noch unverändert aber das war auch schon alles... Bis auf eine lange Jacke die achtlos am Boden lag... vorsichtig hob sie sie hoch... Sie erschrak nicht, auch wenn sie nicht hatte wissen können, daß Sihra ihr folgte, die Nähe die zwischen ihren Gedanken bestand machte es fast selbstverständlich daß sie auch die räumliche Distanz überwanden... auch welche Gestalt wer hatte war gleichgültig, jede war gleichzeitig auch die andere... Worte waren unnötig, Gedanken vermischten sich mit der materiellen Welt... Ob Cian Mirha tatsächlich in die Arme nahm oder ob es ihr Gedanke war der sie umschloß... Ob imaginäre Finger gegenseitig die Tiefen ihres Geistes eindrangen oder ob es Hände waren die den Körper der anderen erforschten, ob sie den wohlbekannten Geruch der anderen aufsog, oder ob es nur Gedanken waren die sie einander so vertraut machte, es spielte keine Rolle. Ob die wohlige Nähe ein Traum war oder Realität, später würde keine der beiden es mehr genau wissen... --- Krankenstation Yaros legte seine eigene Hand auf Veremnurs und erwiderte ihren Blick. "Ich bin weder bereit, mich um die Ecke bringen zu lassen, noch habe ich irgendeine Intention, dem Jungen einen neuen Grund dafür zu geben, das nachzuholen. Ich bin mir durchaus darüber im Klaren, daß unser aller Unterbewußtsein vielleicht noch weiß, wer und was wir sind und uns noch immer beeinflussen könnte. Aber andererseits bin ich nicht bereit, mich vor ihm in Acht zu nehmen, weil er mir vielleicht mal etwas übel nehmen könnte. Wir stecken alle in derselben Misere und wenn ich Sovek in der Zeit vorher etwas getan haben sollte, so bin ich derzeit nicht dafür verantwortlich. Er soll sich an mich rächen, wenn wir beide wieder den Grund dafür kennen." Er schüttelte den Kopf. "Aber gut, keine unnötigen Provokationen, so schwer mir das auch fallen wird. Er reizt einen zu leicht dazu... " Janna ging Kria bei der Untersuchung Soveks zur Hand. So wären sie schneller fertig und könnten sich dann den anderen zuwenden. Sie schwenkte gerade über ihm einen Trikorder als sie plötzlich mitten in der Bewegung innehielt. Ihre Augen schienen sich auf ein weit entferntes Ziel zu konzentrieren, während sie das eigenartige Gefühl zu ergründen suchte, das sie in diesem Augenblick überkam. Irritiert sah sie sich um, auf der Suche nach einer möglichen Quelle, doch alles war normal. Die Anwesenden unterhielten sich lebhaft und spekulierten noch immer über ihren Fund. Keiner von ihnen wirkte sonderlich erregt. Janna schüttelte leicht den Kopf und war schon drauf und dran, sich wieder dem Scan von Sovek zu widmen, als sie sich nochmals umdrehte. Jetzt fiel es ihr auf. Irgend jemand fehlte. Aus unerfindlichem Grund merkte Janna, wie diese Erkenntnis ihren Puls beschleunigte. Doch die Eindrücke wurden stärker und was sie empfing fühlte sich so fremd an, daß ihr Körper in Alarmbereitschaft ging. Fieberhaft überlegte sie, wie sie reagieren sollte. (Ob sie vielleicht übertrieb?) Aber dann wandte sie sich entschlossen der Gruppe zu und sah dabei vornehmlich Veremnur an als sie deutlich sagte: "Irgend etwas geht hier vor!" Viola schreckte hoch. "Ja, es kitzelt mich nicht mehr in der Nase. Plötzlich war der Schnupfen wieder da und nun ist er wieder weg." Durch Nutalas Stimme schreckte Sovek auf und schoß mit seinem Oberkörper hoch. Sah mit kleinen Augen nach links, sah nach rechts, sah mit großen aufgerissenen Augen nach vorn und brüllte: "Eindringlingsalarm! Invasion der Alienfrau! Ich wurde entführt! Ich wurde brutal niedergeschlagen, erschossen und aufgehängt! Alle Mann an die Waffen!" Am liebsten hätte Viola wieder mit irgend etwas nach Sovek geschmissen, doch bekam sie das Kissen der Liege, auf der sie saß, nicht schnell genug in die Hand. "Ach halts Maul", fauchte sie ihn an. "Deine Traumphantasien entschuldigen das, was du mal wieder angestellt hast, auch nicht." Janna zuckte sichtbar zusammen und verzog das Gesicht, als das Theater hinter ihr von neuem losbrach. Sovek war also wieder zurück. Wie... schön. Die Zeit war zwar nur knapp gewesen, aber anzunehmend recht erfolgreich. Zumindest hatten sie an Daten gesammelt, was nur irgend möglich gewesen war. Genaugenommen hätte der Computer anhand des gesammelten Materials wahrscheinlich sogar eine exakte Kopie Soveks erstellen können. Janna sah sich genötigt ihn zu beruhigen, was sie einen Moment lang ablenkte. "Schon gut. Es ist alles in Ordnung. Niemand tut ihnen was. Sie waren nur einen Augenblick bewußtlos. Vielleicht eine Reaktion auf die Kireseth-Simulation", fügte sie vage hinzu und vermied es, ihn dabei direkt anzusehen. Daß auch Viola sie nicht verpetzt hatte imponierte ihr. Aber sie war möglicherweise einfach nur unglaublich sauer auf ihn und vertrug sich mit ihr lediglich auf der Ebene "der Feind meines Feindes...", aber Janna sollte es recht sein. Violas Bemerkung, die sie beinahe übergangen hätte, weckte plötzlich ihr Interesse. "Sagen Sie mal, dieser Schnupfen... Könnte es sein, daß es da ein Muster gibt?" Sie erinnerte sich, daß die Katzenfrau mehrfach spontane Niesanfälle gehabt hatte, die stets ebenso unerklärlich verschwanden, wie sie gekommen waren. "Was könnte die Gemeinsamkeit sein? Denken Sie nach! Sie sind vielleicht gegen irgend etwas allergisch... oder gegen jemanden?" Viola versuchte sich abzulenken und das hieß bei ihr Putzen. Doch das brachte sie zum aufblicken und "D-E-N-K-E-N ???" Lies sie auf ihrer Zunge zergehen, als ob sie das Wort nicht verstehen würde. Doch war sie in Gedanken bei dem letzten Geschrei von Sovek. Was hatte er mit -Invasion der Alienfrau!- gemeint? Irgendwie war da was in ihrem Kopf, doch es fiel ihr nicht ein. "Ich weiß nicht was das bedeuten soll" sagte sie, ohne daß es ein Bezug zu dem letzten hatte, was sie gesagt hatte. Janna sah sich erneut um und fragte schließlich: "Wo sind Shiar und Sihra?" Viola ignorierte das, sie war mit Denken beschäftigt. ---- Speiseraum Mirha tauchte in eine Welt ein, die nur aus Gefühlen und Gedanken zu bestehen schien. Shiars Gedanken, ihre Gedanken... Alles vermischte sich und wurde zu einem. Als sie ihre Umgebung wieder bewußt wahrnahm, lag sie auf der Liege. Und, obwohl sie sich erschöpft und schläfrig fühlte, spürte sie immer noch jeden Gedanken Shiars. Jede Regung, als Regung in sich. Sie wußte, was kommen würde... Und dann geschah was geschehen sollte... und auch alles andere. Nähe... intimste Nähe... Und ein jäher Riß, der sie voneinander trennte. Noch ehe Beiden genau bewußt war, was geschehen war, war Shiar verschwunden... Sie hatte, als sie die Jacke genommen hatte etwas aus der Tasche genommen und es die ganze Zeit in der Hand behalten und irgendwann ohne darüber nachzudenken eine Funktion an dem kleinen Gerät aktiviert... ...nur Augenblicke später befand sie sich nicht mehr an Bord der Drolae. Nur halb bei Bewußtsein durch den Schock, von Mirha getrennt zu sein, wurde sie sich nur langsam ihrer Umgebung bewußt: Ein enges Cockpit, ein Sitz der offenbar exakt ihrer Ergonomie angepaßt war, die Armaturen schimmerten in mattem dunklem Blau, eine helmartige Vorrichtung die sich langsam über ihrem Kopf senkte... Richtig, sie hatte Implantate abgelehnt. Es hatte einige Mühe gekostet SaLiCe davon zu überzeugen... "Oh... bei allen Elementen..." Dann aktivierte sie den Antrieb und verschwand so schnell sie konnte aus der Sensorenreichweite... Schmerz, das war die nächste Empfindung, die Mirha durchflutete. Sie hatte gewußt, was geschehen würde. Shiars Gedanken waren ihre gewesen. Aber nun, nun fehlte dieser Teil und sie war allein. Schmerz. Noch konnte sie nicht begreifen. Wie fremdgesteuert stand sie auf, griff mechanisch nach ihren Sachen und zog sich an. Schmerz. Sie konnte ihn sogar körperlich spüren. Für einen Moment stützte sie sich an einer Wand ab. Sie versuchte zur Besinnung zu kommen. Aber wie konnte sie das? Die Hälfte ihrer Gedanken fehlte, die Hälfte von ihr. Es war, als hätte sie noch einmal die Identität verloren, diesmal aber mit dem Bewußtsein, daß sie sie nie wieder zurückerlangen würde. Mirha schluckte trocken. Schmerz. --- Krankenstation In der allgemeinen Verwirrung paßt niemand auf ihn auf... Eine Situation, die Easgéan seltsam vertraut vorkam. Er sah sich eine Weile um, beobachtete... Dann fiel sein Blick auf einen Koffer der geöffnet auf einem Tisch lag... Zunächst untersuchte er den Inhalt, ohne zu wissen wonach er suchte. Er ging einfach davon aus, wenn es interessant war würde er es erkennen. Doch weil da nichts war klappte er den Koffer zu... Da stand ein Name drauf... "Yaros tr'Ahmar Quissar..." las er vor sich hin... "Na sieh einer an..." Grinsend wandte er sich Yaros zu. "Ch glaub mein lieber ch weiß wer du bist... un warum Sovek dich umbringn will..." Er deutete auf den Koffer... Yaros, noch immer im Gespräch mit Veremnur, drehte sich unwillig zu Easgéan um. Im Gegensatz zu ihm selbst schien dieser die Erlebnisse auf dem Holodeck viel lockerer zu sehen, denn seinem Tonfall war nicht die geringste Verlegenheit oder Scheu anzumerken. Sein Blick fiel auf den Koffer, der bei Easgéan stand und auf den Namen darauf, ein wohlvertrauter Schriftzug. Es verwirrte ihn, weil es doch so nicht sein sollte. Kopfschüttelnd meinte er: "Das kann nicht sein, ich..." Im selben Moment, inmitten der tiefen, samtenen Schwärze des Alls... 'Wir sind enttäuscht. Wir erwarteten nicht, daß so etwas geschehen könnte. Es muß ungeschehen gemacht werden." SIE spürte den unzweifelhaften Wunsch, aufzubegehren. Selbst wenn sie kein Wort wie 'Du' kannten, doch sie mußten anerkennen, was SIE ihnen zeigen wollte. 'Doch seht die wertvollen Erfahrungen, die jene Wesen mitbringen. Sie leben als Individuum, sie grenzen sich ab in Raum und Zeit. Es ist möglich!' 'Individualität ist nicht unser Weg! Der Weg der Gemeinschaft ist nicht der, getrennt zu leben und sich voneinander zu distanzieren. Wir sind, wie wir sind und wir waren immer und wir werden immer sein. Unser Weg ist die Äußere Harmonie. Wie soll dies gewahrt bleiben, wenn die innere Harmonie zerfällt? Fügung! Anpassung!' 'Aber niemand hindert die Gemeinschaft daran, neue Wege zu beschreiten. Niemand der Gemeinschaft weiß, ob nicht ein anderer Weg möglicherweise der bessere ist. Birgt die Gemeinschaft nicht das allmächtige Wissen? Gehört nicht das Bestreben dazu, neues Wissen zu erlangen? Individualität ist neues Wissen; wie könnten wir ablehnen, sie zu erfahren?' 'Und doch ist die Individualität für jene Individuen da! Sie existieren in ihrer Zeit, in ihrem beschränkten Raum. Sie sind nicht bereit für das große Wissen. Sie sind zerbrechlich und sie dürfen niemals etwas über die Gemeinschaft erfahren. Wissen kann in ihren Händen gefährlich sein. Diese Wesen sind destruktiv; sie zerstören, was sie nicht verstehen!', donnerte die Antwort durch die Sphäre. SIE antwortete nicht sofort. Wie konnte sie es nur begreiflich machen? Warum konnten sie es nicht sehen? Und dann wagte SIE es, griff zu der letzten Waffe, die IHR geblieben war. Ein tiefes, imaginäres Luftholen und dann... 'Aber ICH habe durch sie erfahren, wie ein beschränktes Leben sein kann. Es ist anders, aber nicht schlechter. Sie gaben mir einen Namen, sie gaben mir einen eigenen Raum in ihrer Gemeinschaft und sie erkannten MICH als Individuum!' Ein schockiertes Beben durchdrang die Sphäre. Sekunden, Stunden, Äonen folgte nichts als Stille und SIE schwieg zufrieden. SIE hatte sich in IHRER Individualität zu erkennen gegeben und gezeigt, was durch die Wesen entstehen konnte. SIE war nicht länger wie die Gemeinschaft, das mußten sie anerkennen. Sie mußten einfach! 'Die Gemeinschaft hat entschieden. Das Risiko, Chaos durch Individualität zu erfahren, ist unkalkulierbar. Die Gemeinschaft steht allein für die Äußere Harmonie, sie ist unser erklärtes, gemeinsames Ziel. Der Schaden, den die Individuen erlitten haben, wird wieder rückgängig gemacht. Fügung ist das höchste Gebot in der Gemeinschaft. Fügung!' Mit dem Wort kam das Drängen, der Druck. SIE widersetzte sich, wollte nicht wieder zurück dorthin, wo sie unlängst ausgebrochen war. Es war wie ein Sog, der sie in sich hineinzog, SIE unerbittlich wieder zurück in die Tiefe riß. Wieder zurück zu Konformität, in die Umarmung der Gemeinschaft, jetzt und in alle Zeit. SIE wollte schreien, doch sie besaß weder Stimme noch Körper... Nach einer Dauer, die nicht in Worte zu fassen war, war es vorbei. Schweigen herrschte wieder. Yaros blinzelte irritiert. Für einen Moment hatte er den Eindruck, nicht zu wissen, wo er sich befand und was er hier tat. Leere umgab ihn, absolute Leere und er schnappte hilflos nach Luft, die nicht da war. Bilder, Worte, Musik, Licht... Das Gefühl, sich mit dem ganzen Gewicht einem Sturm entgegenzustellen... Ohrenbetäubende Farben umgaben ihn und für einen Moment fürchtete er, wieder zurück auf dem Holodeck zu sein, wo der Traum noch immer nicht vorbei war. Für einen Moment wußte er und wußte wieder nicht, was geschah. Für einen Moment umgab ihn gleißendes Licht, das sich schmerzhaft in seinen Kopf bohrte und dort eine glühende Lücke hinterließ. Für einen Moment... strauchelte er und stand in seiner Krankenstation. Er blickte verwundert auf seinen Koffer, als nähme er ihn jetzt zum ersten Mal wahr. "Ich bin Yaros", hörte er sich dumpf aus großer Entfernung sagen. Tonlos, ratlos. Ja, er war Yaros und er stand in seiner Krankenstation. Und um ihn herum standen und saßen die anderen. Er sah sie an, nacheinander, intensiv. "Kann... mir irgendwer sagen, was gerade passiert ist?", fragte er sie. --- Speisesaal Die Erkenntnis kam, aber nicht mit einem lauten Beben. Es war eher wie ein Stein, der sich endlich gelöst hatte und dumpf zu Boden ging, ohne lauten Widerhall. Als hätte sich ihr Gehirn kurz verschluckt und würde ihr nun alle Gedanken wieder ins Gesicht husten. Routiniert schaltete ihr Hirn den Schmerz weg. Vernunft war das, was zählte. Vernunft war kalkulierbar, im Gegensatz zu Gefühlen. Die Sicherheit des Schiffes! Mirha löste sich von der Wand und übersah gekonnt ihre ersten schwankenden Schritte. Zunehmend gewann sie an Festigkeit. Nun hatte sie es eilig. Schnell verließ sie den Speiseraum und machte sich in Richtung KS auf. --- Krankenstation "Verdammte Scheiße... Kie'tcha... Is thdhjom mhogej ehllan-tcha?! Eneh hwau'kllhwnia na inirrhlhhse!!" Nur eine vergleichbar kurze Weile lang hatte er unbewegt vor sich hingestarrt, paralysiert von den wiederkehrenden Bildern und Erinnerungen. Aber schnell löste er die Erstarrung wieder... löste sich die Erstarrung in Wut. Er griff nach dem nächsten Teil das er erwischte, eines der Diagnosegeräte die zuvor Kria und Janna benutzt hatten und schmetterte es an eine freie Wand. Dann schien er sich ein wenig besser zu fühlen und setzte sich auf den Arbeitstisch. "Ch kann dr sagn was bessr nich passiert wär... un zwar ne Menge..." Er wollte zu einem weiteren Fluch ansetzen, aber es war alles gesagt. Seiner Meinung nach war es nun an den anderen zu agieren und zu regieren, er hatte keine Lust, er hätte das Gedächtnis nicht zurückhaben wollen... Als die Ereignisse sich überschlugen, war Veremnur so aufmerksam, wie sie konnte. Da war Yaros gewesen, ein Arztkoffer mit seinem Namen und dann eine Explosion in ihrem Geist. Erinnerungen, Eindrücke, Zwänge und Freiheiten, alles gleichzeitig... völlige Verwirrung, und dann plötzlich, ganz plötzlich Klarheit! "Khhe'tcha!" Veremnur merkte in den Gesichtern der anderen, das es ihnen genau so erging wie ihr selbst. Die verschütteten Erinnerungen waren zurück. Sie fing sich schnell: "Ja, es sind Dinge passiert, die nicht hätten passieren sollen. Aber es ist geschehen und kann nicht ungeschehen gemacht werden. Ich bin Veremnur i'rhunn t`Riltha. Ich bin nicht Riov und ich bin nicht die Kommandierende Offizierin der Drolae. Ich war es einmal, vor 2 1/2 Jahren, für einige Stunden. Genug unbewußte Erinnerung für meinen Geist um sich an etwas vertrautes zu klammern." Sie lächelten Rhuissa entschuldigend zu und sah besorgt zu Easgean. Sie wagte nicht zu fragen, ob es ihm gut ging, denn es war deutlich genug, das es nicht so war. Er brauchte Zeit, und war wahrscheinlich nicht der einzige, dem es so ging. Für Rhuissa kam das Ende der Amnesie wie ein Schock. Sie glaubte zu ersticken, zu erfrieren, zu verbrennen, zu ertrinken. Heftige Schmerzen, destruktive tödliche Schmerzen einer Folter, konstruktive lebenspendende Schmerzen einer Geburt. Ein Baby, Kinder. Liebe und Glück, ein Mann und eine erfüllte Sehnsucht nach Zärtlichkeit und Leidenschaft, ein anderer Mann und eine unerfüllte Sehnsucht. Das Gefühl von Geborgenheit, ein Ziel, ein Zuhause; das Gefühl von grenzenlosem Verlust, Sinnlosigkeit. Pflicht, erdrückend und qualvoll; Pflicht, erfüllend und beglückend. Liebe, Freundschaft, Verantwortung. Alles, ein ganzes Universum; nichts, ein grenzenloses Vakuum. Nebel zerrissen; auftauchen aus einem Ozean voll Wasser. Klarheit. Rhuissa war wieder sie selbst. Mit all ihren Erinnerungen, den schönen und den bedrückenden. Sie wußte wer sie war und was sie war. Überwältigt schlug sie die Hände vors Gesicht. Sie atmete. Das war zuerst alles, was sie tat. "Die Drolae! ... Die Drolae ... ich hab die Drolae abgegeben ... ich will mein Schiff zurück", sagte sie. Sie lies die Hände sinken und sah Veremnur direkt an. Veremnur nickte. "Sie haben Ihr Schiff doch schon", antwortete sie ruhig: "Ich habe versprochen, das Kommando sofort abzugeben, wenn sich herausstellt, das jemand anderes die rechtmäßige Kommandantin ist. Die Drolae gehört Ihnen, Riov t'Ainama." Rhuissa atmete erleichtert auf. Doch schon im nächsten Augenblick schwankte sie innerlich. Tonlos sagte sie: "Riov t'Ainama ... ja, das bin ich. Ich heiße Rhuissa il-Faeoh t'Ainama. Nicht Sienae t'Nnuihs. Sienae war der Name meiner Tochter und Nnuihs hieß mein Sohn." Ganz plötzlich kam ihr der Gedanke an Yaros. Sie wurde tiefdunkelgrün. Verlegen vermied sie es, ihn anzusehen. Easgéan blickte auf seinen Arm... Er war wohl der einzige gewesen, der immer gewußt hatte wie er hieß. Wegen ihm hätten die Erinnerungen nicht zurückkehren müssen, die er noch immer daran hinterte ihn mit voller Wucht zu treffen. Er brauchte etwas zu trinken, dringend, das war es was er gesucht hatte. Sonst würden sich die Gedanken an Sevenah, an Isha, an seine Mutter nicht länger unterdrücken lassen. Und damit waren sie da. All die Ereignisse, die ihm die Tätowierung eingebracht hatten, die meisten verband er mit stinkendem Nebel, regennassen Strassen und kaltem Neonlicht, das der Haut eine ungesunde Farbe verlieh... Vielleicht war sie es aber auch tatsächlich. Verlust und Schuld... Beides lag so nahe beieinander... Beides hatte er so oft erlebt, und meist war eines der Grund für das andere. Deswegen hatte er sich schuldig gefühlt ein Mörder zu sein... Er war es, und in gewisser Weise war er auch bei Atalan schuld... Wegen ihm war Sevenah frei gewesen... Und sie war nun tot... Die letzten Stunden kamen ihm wieder in den Sinn... Er hatte versucht sich bewußtlos zu trinken, was ihm auch gelungen war. Es war besser nichts zu spüren und zu wissen, er hatte es ja geahnt. Warum konnte er es nicht verhindern? "Was s passiert daß wr uns wiedr erinnern könn'n? Hat wer was gmacht? Mirha is weg un... Egal... Der Koffr... Erinnern wir uns wiedr weil Yaros sein Namn weiß?" Er glaubte es selbst nicht, aber die dümmste Spekulation war im Moment besser als sich mit den eigenen Gedanken beschäftigen. Ja, Sovek wäre nicht Sovek wenn er nichts zu nörgeln hätte. Seine ersten Worte nach der Amnesie war: "Yaros war doch bis jetzt immer an allem Schuld," meckerte Sovek. Eigentlich wollte er nur seine Schandtaten auf jemanden anderen abwälzen und besser alles vergessen, was während der Amnesie passiert war. War er wirklich der Schiffskoch und war er wirklich hinter Nutala und Staska her? Nutala fiel schlagartig ein, warum sie diesen Raum hier so unsympathisch fand. Das hier war der letzte Raum, in dem sie sein wollte. Doch was war gesehen? Verzweifelt versuchte sie das Wirrwarr der letzten Ereignisse neu zu sortieren, damit es nun irgendwie mit Nutala zusammen paßte und nicht mehr mit Viola. "Ich will mein Wollknäul!" stöhnte sie auf und rieb sich den nun schmerzenden Kopf. Janna bekam von dem, was um sie herum geschah zunächst nichts mit. Viel zu sehr beschäftigte sie die Implosion ihrer eigenen inneren Welt. Dieses eigenartige Gefühl, das sie überkommen hatte war kurz zuvor stärker geworden, bis es kaum mehr zu ertragen gewesen war. Dann war es von einer Sekunde auf die andere einfach verschwunden und hatte in ihr einen Wirbel von Gedanken und Gefühlen verursacht, der sich wie ein Film vor ihrem inneren Auge abspielte genauso, als wäre sie dem Tode nahe und würde die Erinnerungen an ihr Leben im Schnelldurchlauf noch mal vorüberziehen sehen. Sie sah sich auf der Akademie, lachend auf einem riesigen Berg im Schnee, bei einem Abschlußball, auf einem Schiff, in einer Menschenmenge bei einem Konzert, sah wie sie als kleines Mädchen das begehrte Sportabzeichen gewann, wie sie an einem Grab weinte, das Bild ihrer Eltern... "Find mich, fang mich!", rief ihr eine vertraute Stimme fröhlich zu und sie lief ihr nach. Der Garten in dem sie sich erst befand verwandelte sich in die labyrinthischen Gänge eines Raumschiffs. "Ron?" Sie konnte ihn nicht finden. "Joanna", flüsterte es leise von überall gleichzeitig, "Joanna". Und sie begriff die Wirklichkeit, als das Wogen allmählich abnahm und sie ins Hier und Jetzt zurückkehrte. Da war dieses Wurmloch, das ihr Schiff zerstört hatte und die Romulaner, die sie festhielten, die Gespräche und Versuche sie zu überzeugen, daß sie keine Spione waren, der Gedächtnisverlust, das Holodeck. Joanna öffnete die Augen und fand sich in der Krankenstation der Drolae, umringt von all den anderen, die sie inzwischen kannte. Oder womöglich doch nicht? Wie viel wußte sie von den tatsächlichen Personen, die sie waren? Alles in ihr war ganz still. Ihr Geist spürte nicht das geringste, nur die Anwesenheit ihres eigenen Ichs. Yaros empfand sich zur Zeit seltsam zwiegespalten - seine Empfindungen, seine Erinnerungen fehlte noch die Brücke, die beides zusammenbrachte. Es gab den Yaros, der er in den letzten Stunden gewesen war und der Yaros, der Sovek jetzt unmißverständlich wütend ansah ob seiner unsinnigen Bemerkung. "Ich? Ich soll schuld sein an... dem hier? Sicher doch! Ich hab einmal mit den Fingern geschnipst und schon wußte keiner mehr, wo oben und unten ist. Dummerweise hab ich vergessen, mich auszuschließen. Fang doch endlich mal an zu denken, bevor Du was sagst, Junge!" Daß Soveks Bemerkung im Vergleich zu den vergangenen Ereignissen geradezu eine Lappalie war, störte weder den einen noch den anderen Yaros. Es war etwas konkretes; etwas, mit dem er etwas anfangen konnte. Sovek anzufahren, hatte etwas beruhigend vertrautes und ließ sich mit beiden Versionen von sich selbst vereinbaren. Er ließ sich rücklings auf eines der Biobetten fallen, auf sein Biobett. Hier hatte er geschlafen, hier hatte er nachgedacht, hier hatte Sevenah... Er richtete sich abrupt auf. Die Brücke war gefunden und ohne dem Beachtung zu schenken, hatte er sie bereits überquert. Sevenah! Ausgerechnet jene Erinnerungen, die er nur zu gern tief in sich begraben, wenn nicht gar vergessen wollte, brachten ihm den Gedanken, den er gebraucht hatte. Er schluckte und vermied bewußt, Rhuissa und Veremnur anzusehen. Unangenehm deutlich nahm er wahr, daß er nur halb angezogen herumlief. Zwar wußte er wie jeder andere hier, warum das so war, doch das konnte nicht vermeiden, daß es ihm unangenehm war. "Ja, es hätte so einiges nicht passieren dürfen. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich froh darüber sein soll, wieder zu wissen, wer ich bin." Im selben Moment als es auch Yaros bewußt wurde fiel es auch Easgéan wieder ein... Vielleicht lag das daran, die ihre Gedanken vernetzt gewesen waren, vielleicht war es natürlich oder einfach Zufall... Zwischen Resignation und Wut pendelnd sah Easgéan Yaros an. Es würde sicher gut tun ihn zu schlagen... Die Striemen auf dessen Rücken, er wußte jetzt wieder sehr genau woher sie stammten... Zerrissen war auch Easgéan, aber nicht weil er sich für Getanes schämte, etwas wie Scham hatte er schon sehr lange nicht mehr ernsthaft empfunden, im Gegenteil, in der Regel genoß er es, wenn es andere für ihn fühlten und er so deren Grenzen verletzen konnte... Zerrissen war er schon zuvor gewesen, zwischen fatalistischem Selbsthaß der zur Resignation führte und dem drang zu überleben... "Gibts hier was zu trinkn? Ch glaub ch bin ned dr einzige, der jetz n Schluck vertragn könnt..." Die einzelnen Teile fügten sich wieder nahtlos aneinander, verknüpften Joannas Dasein vor dem Gedächtnisverlust mit ihren Erlebnissen währenddessen und mündeten in die Gegenwart, die ihr bei dem ganzen am seltsamsten erschien. Sie kam sich vor als wäre sie soeben aus einem sehr realistischen Traum erwacht, der es äußerst schwer machte, die tatsächliche Realität als solche anzuerkennen. Alkohol würde daran auch nichts ändern. Was genau mit ihnen geschehen sein mochte konnte auch Joanna nicht annähernd einschätzen, aber für sie selbst war das wichtigste, daß es rückgängig gemacht worden war und sie sich endlich selbst wieder kannte. Vielmehr beschäftigte sie eine andere Frage, die sie nunmehr an Rhuissa richtete. "Wie... soll es denn jetzt weitergehen?" Veremnur wandte sich an Easgean und an Yaros. Sie sah Easgean an: "Das Yaros schuld daran ist, halte ich für ausgeschlossen. Er wußte schon vorhin wie er hieß, als er sein Türschild gesehen hat, du wußtest auch wie du heißt und ich ebenfalls. Nein, daran liegt es nicht. Es ist etwas anderes. Shiar kam kurz vor der Amnesie an Bord, und sie ist ebenso wie Mirha nicht mehr auf der KS. Es mag einen Zusammenhang geben, oder Zufall sein. Ich habe fürs Erste genug von den Spekulationen ohne Fakten. Deshalb möchte ich mich lieber an Fakten halten, und daran, wie wir sie schaffen. Easgean, es ist eine denkbar schlechte Idee, dich jetzt zu betrinken. Einen Schock haben wir alle erlitten. Aber ein 'zurück' in die unschuldige Ahnungslosigkeit wird es für keinen von uns mehr geben, auch nicht mit Alkohol. Nimm das, was die Amnesie dir geschenkt hat mit in diese Realität: Liebe und Zuneigung, das Wissen, eingebettet zu sein, in einer kleinen aber echten Gemeinschaft. Das bringt viel mehr als Ale." "Dreck... ch trink ned um wiedr zu vergessn was war sondrn weil ch sonst hier n Krampfanfall hinleg dr sich gwaschn had... ch hab seid letztr Nacht nix mehr getrunkn un ch bin starkr Trinkr... Also, ich brauch das... wo gibts was?" Rhuissa sah Janna an. Nein, jetzt war sie nicht mehr Janna, ab jetzt war sie wieder Joanna Studdy. "Ich sehe nur eine einzige Erklärung dafür, warum wir uns plötzlich wieder erinnern können ... Derjenige, der die Amnesie ausgelöst hat, hat erreicht was er wollte ... Nun liegt es an der Galae herauszufinden wer das war, und was er wollte. Was sie betrifft ... Elemente!" Rhuissa sah erschrocken aus: "Die Reacor! Wie soll sie uns finden, wenn wir auf einen völlig anderen Kurs sind und zudem noch Funkstille halten! Ich muß zur Brücke, und die Reacor kontakten." Gerne hätte sie nachgefragt, ob sie aus medizinischen Gründen die Erlaubnis hatte, jetzt schon die Krankenstation zu verlassen, doch sie traute sich nicht, Yaros anzusprechen. Dazu kam der Gedanke an Arrhae, die jetzt auf der Reacor sein mußte. Wenn sie von dem Vorfall erfuhr, würde Rhuissa sie wieder am Hals haben und so schnell nicht wieder los werden. Ihr wurde übel. "Die Brücke hat Zeit, wenigstens ein paar siuren, bis wir alle den Schock verkraftet haben", entschied sie. Sovek stand vom Biobett auf und sah sich an. "Wenigstens bin ich diesmal nach einer Bewußtlosigkeit angezogen. Nur warm ist mir. Scheußlicher Pullover." Er sah die lloanna im Raum an. "Kommt jetzt ja nicht auf die Gedanken jetzt frei an Bord spazieren zu dürfen. Und Flucht wäre eh sinnlos. Die Reacor ist bestimmt in der Nähe und ist auch schneller als die Drolae. Also keine falsche Handlungen." Sovek drehte sich zu Veremnur und sagte zu ihr: "Sagen Sie mal, träumen Sie noch? Sie sind nicht Veremnur i'rhunn t`Riltha. Sie sehen nicht aus wie Veremnur i'rhunn t`Riltha. Sie sind Darissa Lindir. Eine loanna! Kapiert?! Wollten wohl auf die Brücke, he? Aber nicht mit Sovek. Sovek ist schlauer als jeder lloanna." Veremnur schluckte. Sie hatte sich während der Amnesie so sehr enttarnt, das es keinen Zweck mehr hatte in ihre Rolle schlüpfen zu wollen. Es war vorbei, sie wußte das. Ruhig sah sie Sovek und alle anderen an: "Ich bin Veremnur i'rhunn t`Riltha, Arrain der Galae, erie'Rin des Tal Shiar. Bis zu Beginn der Amnesie war ich als Langzeit-Undercoveragentin im Einsatz in der Föderation. Mit der Tarnidentität einer menschlichen Frau, Darissa Lindir. Die Amnesie hat mich enttarnt, da mir meine wahre Identität vertrauter war, als die Tarnidentität. Vor 2 1/2 Jahren war ich noch an Bord der Reacor stationiert, damals, als die Reacor die schwer beschädigte Drolae geborgen hat. Ich habe für eine Weile die Reparaturarbeiten geleitet. Daher kenne ich dieses Schiff recht gut. Sie befanden sich zu der Zeit noch halberfroren auf der Krankenstation der Reacor." "Ja, ja," sagte Sovek und winkte mit einer Hand ab. "Das können Sie sich alles während der Amnesie irgendwo in der Datenbank zusammen gelesen haben. Jetzt versuchen Sie mit allen Mitteln die gewonnen Information dafür zu nutzen, das Schiff zu übernehmen. Ich falle nicht darauf rein. Sie sind eine loanna, bis der Tal'Shiar sagt, das Sie keine sind. Keine Widerrede. Ich bin der Erste Offizier der Droale und verantwortlich für das Leben jedes Crewmitgliedes." Sovek sah Rhuissa an. Er machte nur seinen Job als Erster Offizier. Da kann ja jeder kommen und behaupten er währe der Praetor. "Jetzt brauch ch wirklich n Drink... Eine vom Tal Shiar hätt ch nie gevöglt... Kch'tcha!!!" Veremnur schaute irritiert von Sovek zu Easgean. Ihre Irritation hielt nur kurz. Sie fing an zu lachen. Mit einem fröhlichen, aber auch ironischem Blitzen in den Augen sagte sie zu Easgean: "Ja sieh an, so bist du zu einem leidenschaftlichen Genuß gekommen, den du ohne Amnesie nie erlebt hättest." "Die Reacor wird bald hier sein, und wenn sie wirklich eine TSlerin im Undercovereinsatz ist, wird khre'Rionel t'Mnaeha das wissen", erinnerte Rhuissa. Janii blinzelte, als verloren geglaubte Erinnerungen ihr Bewußtsein überfluteten. Sie seufzte leise, als der Prozeß abgeschlossen war, und streckte ihre Flügel für einen Moment soweit aus, wie es der Raum erlaubte, als ob sie gerade aus einem tiefen Schlaf erwacht war. So bekam sie gerade noch Darissas - oder war es Veremnurs? - Erklärung mit. Sie erbleichte, als sie die angebliche Menschenfrau ansah. "Sie sind vom romulanischen Geheimdienst?" Veremnur sah Janii offen und freundlich, aber ohne Bedauern an. "Janii, es stimmt. Ich bin eine Rihanha und arbeite für den Tal Shiar. Ich tue etwas, das alle Völker bei nahezu allen anderen Völkern tun. Ich lebe und arbeite als Langzeitagentin. Mein Auftrag hat mich in die Föderation geführt. Es ist nicht meine Aufgabe militärische und strategische Geheimnisse auszukundschaften, das tun andere. Doch das allein reicht nicht. Wir wollen die Föderation verstehen, um ihre Reaktionen besser einschätzen und vorausberechnen zu können. Es ist meine Aufgabe, die Kultur, das Leben selbst zu erforschen indem ich es von innen heraus erlebe. Wie ihre Kultur und ihre Gesellschaft sich auf sie auswirkt und sie beeinflußt, wie sie sich im normalen Alltag verhalten, wie sie handeln und denken. Ich führe Tagebuch, ausführlich uns präzise. Das ist meine Aufgabe, nicht mehr und nicht weniger. Irgendwann sollte ich mit meinem Wissen und meiner Erfahrung nach Hause zurück kehren. Die Amnesie hat mich leider vorzeitig enttarnt. Übrigens gab es Darissa Lindir wirklich. Sie hatte nichts mit uns zu tun gehabt, das war die Voraussetzung, um unbemerkt in ihre Rolle schlüpfen zu können. Die MLFS Doria, ein ziviles Handelsschiff, geriet während des Dominion Krieges ungewollt in eine Kampfhandlung und wurde zerstört. Es gab nur 7 Überlebende, teils schwer verletzt die in den Trümmern ihres Schiffes auf Hilfe warteten. Auf ihren Notruf reagierten das Sternenflottenschiff USS Leavitt und der Tal Shiar Aufklärer ChR Dabhae'Laehval. Die USS Leavitt geriet in Kämpfe und wurde schwer beschädigt, die ChR Dabhae'Laehval erreichte die MLFS Doria, barg die Überlebenden und leistete medizinische Hilfe. Damals waren wir Verbündete und das Mnhei'Sahe verlangte, das wir uns um sie kümmerten, wie um unsere eigenen Leute. Wir taten es gewissenhaft und nach besten Kräften, darauf gebe ich ihnen mein Wort. Doch für die Cheftechnikerin Darissa Lindir kam jede Hilfe zu spät. Sie lag im Sterben. Meine Statur war der ihren sehr ähnlich, und so wurde ich beauftragt, ihre Identität zu übernehmen. Bitte unterrichten Sie ihre Familie davon." Yaros fiel so einiges ein, das er liebend gern gesagt hätte, doch unter den aktuellen Umständen hielt er es für besser, sich zurückzuhalten. Viel zu schnell konnte er unbedacht die zarten Bande des gegenseitigen Verstehens zerbrechen... Und so kommentierte er nicht Soveks Versuche, die lloanna herumzukommandieren oder die plötzliche Entdeckung, daß sich unter ihnen eine Spionin befand. Und auch Easgéan stimmte er nicht zu, als er einen gemeinsamen Schluck vorschlug - ein ähnliches Bedürfnis war auch in ihm selbst erwacht, allerdings aus ganz anderen Gründen. Nur kurz streifte sein Blick Rhuissa, als sie gerade erwähnte, daß die Brücke warten konnte. Sie hatte noch nichts gesagt und angesichts der ganzen Anwesenden war das verständlich. Doch es gab einiges, daß sie sich zu sagen hatten und hätte liebend gern alles darum gegeben, um eine solche Aussprache herumzukommen. Vieles hatte sich in den letzten Stunden in eine überraschende Richtung entwickelt und dazu gehörte neben einigen Details auch das, was in Rhuissas Quartier passiert war. Nichts von dem, was er ihr ohne jedes Gedächtnis gesagt hatte, war ohne einen wahren Kern gewesen. Selbst ohne sein Wissen hatte er geahnt, daß er etwas Besonderes für sie empfand - einzig die Kompliziertheit, die seine Beziehung zu ihr begleitete, war so angenehm weit entfernt gewesen... Und wie paßte das Foto dort hinein? Und wie paßten Joanna und Veremnur und Easgéan dort hinein? Für die letzten beiden konnte er das Holodeck verantwortlich machen, das Kireseth, wenn es sich auch lediglich wie eine ungeschickt vorgeschobene Ausrede anhörte, doch Joanna... Er hatte die Unbeschwertheit nicht vergessen, mit der er geflirtet hatte, aus schlichter, purer Freude daran. Wie es seiner Natur entsprach? Gern hätte er den Raum verlassen, um allein zu sein und sich mit der unerwarteten Situation anzufreunden, doch ihm war klar, daß es wie eine Flucht aussehen würde - es war eigentlich ja auch kaum mehr als das. Und wovor wollte er fliehen? Vor dem, das sie alle anging, weil sie alle dasselbe erlebt hatten. Und so zwang er sich, auf dem Biobett sitzen zu bleiben, so ruhig es ihm möglich war. Für Sam war das alles ein wenig viel. War ihr vorher schon übel gewesen, weswegen sie sich unauffällig in eine Ecke der Krankenstation verzogen hatte, warf der plötzliche Ansturm an Erinnerungen sie beinahe um. Alles drehte sich um sie, und plötzlich mußte sie sich übergeben. Sie hatte gerade noch Zeit, sich zur Wand zu drehen - eine Toilette oder auch nur einen Behälter, eine Tüte, irgend etwas - dazu reichte die Zeit nicht mehr. Es dauerte nicht lang, da sie bisher nicht viel gegessen hatte. Entsetzt und verschämt starrte sie auf die Pfütze in der Ecke, warf einen Blick in den Raum (der natürlich gepackt voll mit Leuten war) und murmelte etwas wie: "Entschuldigung..." Etwas wackelig auf den Beinen und mit schwindeligem Kopf stützte sie sich an der Wand ab, dann sah sie sich nach einem Lappen um, mit dem sie das Malheur beseitigen konnte. Easgéan warf ihr nur einen geringschätzigen Blick zu während er zum Replikator trat und sich etwas hochprozentiges bestellte, zur Sicherheit gleich nen doppelten. Rhuissa rief den Reinigungsroboter. Zu ihrer Erleichterung erschien er und beseitigte das Erbrochene fachgerecht. Rhuissa lächelte. Endlich etwas, das plangemäß funktionierte. Sie merkte, wie sie ruhiger und zuversichtlicher wurde. "Ich gehe jetzt auf die Brücke und rufe die Reacor", sagte sie. "Bleibt brav und tut nichts, was euch hinterher leid tut." Nutala schreckte auf und schob ihr imaginäres Wollknäuel zur Seite um sich wieder der Wirklichkeit zu zuwenden. "Ja, die Brücke, ich sollte unsere Flugbahn überprüfen." Nutala stand auf und machte sich auf den Weg um diesen ihr so unsympathischen Ort so schnell wie möglich zu verlassen. "Gut, Nutala. Kommen Sie mit", sagte Rhuissa. Zusammen mit ihr verlies sie die Krankenstation. --- Korridor Im Korridor atmete Rhuissa tief ein. Es war, als hätte sie in der Krankenstation nicht mehr genug Luft bekommen. Sie ging die paar Schritte zum Turbolift und wartete, bis er sich öffnete. Auch Nutala atmete tief durch, die Krankenstation bereitet ihr weniger Unbehagten als dieser Yaros. Zum Glück hatte er ihre Hilflosigkeit nicht ausgenutzt während des Gedächtnisverlustes. Genau, der Gedächtnisverlust! "Wie auch immer die Födis das geschafft haben, auf jeden Fall hatten sie ihr eigenes Gedächtnis auch blockiert. Jetzt wo ihr Plan vereitelt ist und bevor sie sich einen neuen ausdenken, wann bringen wir sie um? --- Krankenstation Yaros beobachtete die anderen. Jeder fand auf seine eigene Art und Weise zu seinen Erinnerungen zurück und wahrscheinlich würde es noch dauern, bis jeder die Brücke zwischen seinem eigentlichen Ich und dem neugestalteten Ich der letzten Stunden gefunden hatte. Es war etwas zwischen Erleichterung und Resignation, das Yaros bei Rhuissas Weggang empfand. Solange sie sich um etwas kümmerte, sprachen sie nicht miteinander und die vergangenen Ereignisse blieben unerwähnt. Doch es mußte irgendwann sein, das wußte er. Schmerzhaft intensiv und ohne die verklärte Traumhaftigkeit der Holodeckerlebnisse erinnerte er sich an die Geschehnisse in ihrem Quartier. Erinnerte sich daran, wie sie beide ohne jede Sorge aufeinander zugegangen waren, um sich schließlich gemeinsam im Bett wiederzufinden. Gefühl und Verlangen... es hatte bis hierher überdauert. "Ich nähme es Dir nicht übel, wenn Du mir auch so einen mitbringst.", sagte er zu Easgéan, der sich gerade am Replikator bediente. Easgéan nickte nur und kam nach kurzer Zeit mit zwei großen Gläsern mit klarer Flüssigkeit zurück. "Hab dr zwar einig's zu verübln, abr was solls... Wr ham miteinandr g'fickt, warum soll'n ma nich trinkn..." Yaros nahm eines der Gläser an sich. "Danke, daß Du mich dran erinnerst. Ich wäre sonst glatt in die Versuchung gekommen, es zu vergessen", grummelte er. Im Gegensatz zu ihm selbst schien Easgéan kein Problem damit zu haben, die Ereignisse ohne jede Verlegenheit einfach hinzunehmen. Nun, vielleicht war das auch eine Strategie, mit der Situation zurecht zu kommen. Es war geschehen, nichts konnte daran etwas ändern. Das einzige, was sie ändern konnten, war der Umgang miteinander - und nur so war es möglich, daß er mit Easgéan in Frieden trank, statt sich gegenseitig die Nase einzuschlagen. Ineinander verschlungene Körper... Yaros verdrängte das Bild, das sich unerwünscht in sein Gedächtnis einschlich und hob sein Glas an, um einen Schluck zu nehmen. Das hochprozentige Getränk brannte sich seinen Weg die Kehle hinunter und Yaros überlegte für einen Moment, ob er wirklich wollte, daß der Glasinhalt Kontakt mit seinen Magenwänden bekam. Dann entschloß er sich zu einem zweiten Schluck. "Das ist absolut angemessen", murmelte er mit einem Blick auf das Glas. Als die Criianerin den Reinigungsroboter anrücken sah, trat sie zu Samantha hinüber und zog sie sanft aus dem Weg der Maschine. "Kommen Sie, Miss Pratchett," sagte sie, immer noch befangen, den wirklichen Namen der jungen Frau zu benutzen, "setzen Sie sich auf das Biobett, damit Sie uns nicht umfallen." Nacheinander verließen Nutala und Rhuissa den Raum, und Janii konnte nicht umhin, sich zu fragen, was nun geschehen würde. Würde nun das gefürchtete Tal-Shiar-Verhör folgen? Würden sie von den Romulanern weiterhin festgehalten werden, bis sich eventuell eine Austauschmöglichkeit ergab? Und was war mit der restlichen Besatzung der USS Obtain passiert? --- Korridor Rhuissa lachte. Nutala hatte ihr altes Temperament nie verloren, doch nun erschien sie ihr mehr denn je ganz die 'echte' zu sein. "Im Interesse unserer eigenen Gesundheit überlasse ich das 'Umbringen' dem Tal Shiar", antwortete sie. Sie stieg in den Turbolift. Nutala folgte ihr in die Kabine und wählte die Brücke als Zielort. "Warum soll immer der Tal Shiar den ganzen Spaß haben, können sie uns doch auch mal was. Wir können ja ihre Gehirne in Stasis lagern, dann kann sie der Tal Shiar scannen." Die Kabine errichte die Brücke und Nutala ging zu ihrem Platz um die Kurzdaten zu prüfen. Rhuissa lachte noch immer in sich hinein. Obwohl Nutalas Thema eigentlich gar nicht lustig war. "Weil wenn wir dem Tal Shiar den Spaß mit den Loanna nehmen, der TS statt dessen seinen Spaß an uns haben wird. Für uns wird das dann allerdings nicht spaßig." Rhuissa setzte sich auf ihren Sessel. "Nutala, funktioniert unsere Komverbindung?" Nutala betrachtete die Kursdaten als ob es etwas Ekeliges wäre. "Also der Kurs ist in Ordnung, solange Sie nichts anderes anordnen. Was die Kommverbindung betrifft, sehe ich keinen Grund, warum sie nicht funktionieren sollte. Sollen wir es versuchen?" Nutala grinste in Richtung der Riov. "Ich glaube nicht, daß DIE etwas sabotiert haben." --- Krankenstation "Igitt," sagte Sovek angewidert zum Mageninhalt von Sam. Da er schon lange nichts mehr zum Meckern hatte fuhr er fort: "Da sieht man mal wieder, wie schwach doch die Körper der lloanna sind. Auch das sie kein Benehmen haben. Wie ich gehört habe, sollen sie sogar in betrunkenen Zustand, mitten in der Nacht, pinkeln und kotzen auf offener Straße. So etwas würde auf ch'Rihan nie geben." --- Korridor vor der Krankenstation Mirha hatte Rhuissa und Nutala aus einiger Entfernung die Krankenstation verlassen und weglaufen sehen. Schließlich erreichte sie selbst die Tür zur KS und trat ein. --- Krankenstation Kurz hinter der Tür - einen Schritt im Raum - blieb sie stehen. Wenn nun jemand den Raum verlassen wollen würde, müßte sie einen Schritt zur Seite machen. Aufmerksam beobachtete sie die Anwesenden. Es schien keine Kampfhandlung vorzuliegen. Doch, obwohl wenn kein Eingriff nötig schien, blieb sie aufmerksam. "Wie habt ihr es wieder rückgängig gemacht?", warf sie in den Raum. "Wir waren es nicht", antwortete Veremnur. "Wir wissen nicht, wie es passiert ist, es kam für uns völlig überraschend. Riov t'Ainama vermutet, das der oder die Verursacher der Amnesie ihr Ziel erreicht haben, was auch immer deren Ziel war." Sovek sah wie Easgean und Yaros sich ein Schluck genehmigten. Das ging doch gar nicht. Trinken, auch noch womöglich Alkohol, vor den lloanna, sich zu 'besaufen'... Soveks Kopf übertrieb mal wieder. "Easgean, wenn Sie nicht krank sind, gehen Sie sofort auf die Brücke," befahl Sovek streng. "Und Sie Yaros, tun mal das wozu Sie bezahlt werden. Die lloanna da ist krank und kotzt Ihre Krankenstation voll. Wir können doch nicht ständig den Reinigungsroboter rufen, wenn DIE da den Raum voll kotzt. Das ist Energieverschwendung. Geben Sie ihr eine von ihren vielen Riesenspritzen mit den Sie uns ständig quälen. Von mir aus geben Sie ihr noch die bunten Pillen." Yaros richtete sich auf seinem Biobett wieder gerade auf und sah Sovek direkt an. "Es ist schön zu sehen, daß Sie wieder zu Ihrer gewohnten Persönlichkeit zurückgefunden haben und wieder genauestens darüber Bescheid wissen, was ich zu tun und zu lassen habe. Ich würde nur zu gern wissen, wann ich hier mal jemanden mit bunten Pillen und Riesenspritzen gequält habe. Sie dürfen bei Ihrer ganzen Gerüchtebastelei niemals vergessen, daß Sie der Urheber sind und daher genau wissen, daß das alles nicht stimmt. Sie dürfen nicht alles glauben, was Sie sich erzählen! Und jetzt würde ich vorschlagen, Sie verkrümeln sich schleunigst in Ihren Maschinenraum und tun so, als wären Sie der Techniker dieses Schiffes. Ich komm Sie dann besuchen, wenn mich wieder das Bedürfnis packt, jemanden mit meiner Riesennadel zu quälen. Und jetzt raus!" Er deutete in einer unmißverständlichen Geste auf die Tür, noch immer das Glas in der Hand. Es war nicht wirklich so, daß er sauer auf Sovek war - eher auf dessen Eigenschaft, dummes Zeug daherzuplappern. Als Yaros zur Tür sah, nahm er erst Mirha richtig wahr, die dort stand. Er hatte sie zwar gehört, doch es waren noch andere Leute hier... "Komm rein, dann kann ich gleich schauen, wie es Deiner Hand geht, hm?" ............ Ende der Chronik ............